#15: Great Walk – Milford Track
Nach dem Kepler Track hatten wir dann doch ein wenig Muskelkater und müde Beine. Zum Glück haben die beiden Pausentage gereicht, um uns erholen zu können. Körperlich waren wir wieder ready für ein neues Wanderabenteuer, Enthusiasmus wollte dennoch nicht so recht aufkommen. Grund dafür: die Wettervorhersage…
Eckdaten zum Milford Track
Anzahl Tage: 4
Übernachtungsorte: Clinton Hut – Mintaro Hut – Dumpling Hut
Wanderzeit: 16h
Höhenmeter: 1811m hoch / 2029m runter
Distanz: 59km
Strecke: Einwegwanderung, nur in eine Richtung begehbar
Anreise: ab Te Anau Downs mit dem Boot zum Trailstart (ca. 1h 15 Min.). Vom Trailende mit dem Wassertaxi zum Milford Sound Fährterminal (ca. 5 Min.). Shuttlebusse ab Te Anau (oder Queenstown) verkehren nach Te Anau Downs und Milford Sound Fährterminal.
Der berühmte Milford Track
Jemand meinte «der Milford Track ist die Taylor Swift unter den Great Walks – es ist sehr schwierig, um an Tickets zu kommen». Wie recht diese Person hatte. Auch bei uns war es eine nervenaufreibende Sache, die zum Schluss jedoch gut ausging. Wenn wir auf dem Kepler Track anderen Wanderern erzählt haben, dass wir noch den Milford Track wandern werden, waren die Reaktionen teilweise beinahe ehrfürchtig. Eines Abends haben wir uns beim Essen mit den anderen «Milford Track»-Wanderern über ihre Buchungserfahrungen ausgetauscht. Während doch der/die eine dabei war, der/die sich eins bis zwei Wochen im Voraus noch einen kurzfristig wieder frei gewordenen Platz ergattern konnten, hatten viele unsere Strategie gewählt: Auf die Minute genau zur Eröffnung des Buchungsfensters vor dem Computer sitzen und hoffen, dass man zu den Glücklichen zählt, die sich einen Platz sichern können. Am lustigsten war die Geschichte eines kanadischen Paares: Sie wussten, dass sie zu diesem besagten Zeitpunkt auf einem Flug sein würden und somit keine Reservation vornehmen könnten. Also haben sie überlegt, welche Person aus dem Freundes- und Bekanntenkreis diese Aufgabe wohl am erfolgreichsten bewältigen könnte. Ihre Wahl fiel auf einen IT-Experten. Der hat dann – wie wir alle – Blut und Wasser geschwitzt, als das Buchungssystem ein ums andere Mal zusammenbrach.
Strenge Regeln und lange Anreise für den Milford Track
Während bei den übrigen Great Walks die Wanderung jeweils in beide Richtungen begangen werden kann, man die Wahl zwischen Hütten und Campingplätzen (oder einer Kombination davon) hat und zudem die Wanderung in unterschiedlichem Tempo mit entsprechend mehr oder weniger Übernachtungen machen kann, ist beim Milford Track alles klar definiert. Man DARF (in der Hochsaison) nur in eine Richtung laufen und man MUSS in jeder der Hütten genau einmal übernachten. Da es sich nicht um eine Rundwanderung handelt, muss in der Regel noch ein Transfer dazu gebucht werden. Wir haben das Auto mit unserem Gepäck (abgesehen von unseren Wanderrucksäcken) auf dem Hotelareal parken dürfen, sind dann zuerst mit einem Shuttle-Bus eine halbe Stunde nach Te Anau Downs gefahren worden und dort auf ein Boot umgestiegen, welches uns in einer guten Stunde zum Start der Wanderung gebracht hat. Auf dem Rückweg gab es einen 5-minütigen Wassertaxi-Transfer zum Milford Sound Schiffssteg, von wo aus es per Bus in gut zwei Stunden wieder zurück nach Te Anau ging.
Wetter-(Un)Glück?!
Der erste «Wandertag» ist eigentlich ein Witz. Man wandert gerade mal etwas über eine Stunde zur ersten Hütte (wo man ja dann für NZD 120.- übernachten MUSS). So waren wir bereits gegen 13 Uhr in der Hütte. Unsere Beine waren sicher dankbar für den kurzen ersten Tag und kaum waren wir in der Hütte angekommen, sind auch bereits die ersten Regentropfen gefallen… Der Regen war auf diesem Track ein Punkt, der uns auf dem Magen gelegen ist. Es schien, als sei unser Wander-Wetter-Glück, welches wir auf dem Rakiura Track und Kepler Track hatten, nun aufgebraucht. Die Wetterprognosen waren wirklich schlecht. An allen vier Tagen war Regen prognostiziert. Wir haben uns schon überlegt, ob wir unter diesen Bedingungen die Wanderung wirklich machen möchten. Eigentlich ein klares «Nein!» – wer findet die Vorstellung schon toll vier Tage durch den Regen zu latschen? Drei Punkte hielten uns davon ab, die Tour abzusagen: Erstens hat uns dieser Track einfach zu viel gekostet (Hüttenübernachtungen plus Shuttleservice plus wären dann ja noch zusätzliche Kosten für Ersatzübernachtungen in einem Hotel dazugekommen), zweitens hat sich auf dem Kepler Track gezeigt, dass sich das Wetter – wie es halt so ist in den Bergen – schnell komplett ändern kann. Also haben wir ganz ganz fest gehofft, dass sich all die prognostizierten Regenfälle, und Wolken und schlechte Sicht in trockenes Wanderwetter verwandeln würde. Drittens haben wir zuhause eine zuverlässige Quelle, die erfolgreich Sonnentänze absolviert (danke für deinen Einsatz, Linda!).
Der Regen hat es wirklich gut mit uns gemeint. Wenn es regnete, dann fast immer in der Nacht und dies auch nicht sintflutartig (die Wanderwege waren weder geflutet noch matschig). Einzig am dritten Tag hatten wir bei der Passüberquerung etwas Pech. Nebel zog herein, die schöne Aussicht mussten wir uns vorstellen, es fiel dann doch noch so viel Regen, dass es sich lohnte, in die Regenkleider zu steigen. Aber alles in allem waren die Regenfälle harmlos und das Wetter um Welten besser als vorausgesagt. Denn mit dem (Regen)Wetter ist in Fiordland nun wirklich nicht zu spassen: Im Schnitt regnet es an zwei von drei Tagen und pro Jahr fallen 10'000 mm / 10 Meter (!) Regen (als Vergleich: in Zürich fiel im Jahr 2024 gerade mal etwa 1'300 mm Niederschlag, im Jahr 2022 war es sogar nur etwa 870 mm). Wir können uns somit wirklich nicht beschweren. Die nächtlichen Regenfälle haben dazu geführt, dass zahlreiche kleine Wasserfälle von den Berghängen flossen.
Klassenfahrt-Feeling
Da wir alle genau denselben «Zeitplan» für den Milford Track hatten, fühlte es sich an wie auf einer (grossen) Klassenfahrt. Für die nächsten vier Tage sah man immer die gleichen 38 Leute. Zum Glück verteilen sich die Personen gut über die Strecke, sodass man mehr oder weniger für sich wandern kann. Spätestens am Abend zum Ranger Talk trifft man sich wieder. Bei Ankunft in der Hütte findet der spannendste Moment des Tages statt: die Bettauswahl. Bei all den von uns besuchten Hütten gab es zwischen zwei und vier Massenschlägen. Man geht dann also kurz in jeden Schlag rein, schaut, welche Matratzen noch «aufgestellt» (=frei) sind und wählt dann den «besten» Schlafplatz. Allerdings ist es gar nicht so einfach, den «besten» Schlafplatz ausfindig zu machen. Klar liegt man lieber in einer separaten Nische oder am Rand statt in der Mitte eines Matratzenlagers, doch die Position des Schlafplatzes ist nur ein Faktor… Wir erinnern uns an unseren vorherigen Blogeintrag #14 Great Walk – Kepler Track, wo wir über die verschiedenen Zimmergenossen-Typen (Schnarcher, Trampler, Nestler, etc.) geschrieben haben. Jetzt wird es also spannend! Auf dem Milford Track hat man die einzigartige Gelegenheit, innerhalb von 3 Nächten den bestmöglichen Schlafplatz zu eruieren, da man ja immer mit denselben Schnarchnasen unterwegs ist. In der ersten Nacht befindet man sich in der «Kennenlernphase», sprich die ersten Schnarcher werden enttarnt. Gewisse Indizien gibt es jeweils schon vorgängig: nichts für ungut – aber ältere Herren mit Bäuchlein gehören nicht unbedingt auf die Favoritenliste der Zimmergenossen. Natürlich gibt es auch immer wieder Überraschungskandidaten (und -kandidatinnen!). Schön wäre es natürlich, wenn jede/r auf seinem Bettlein sitzen würde, wenn man ankommt und man dann genau Bescheid wüsste. Tatsächlich halten sich die Leute meistens im Aufenthaltsraum auf und man sieht nur anhand der mit Schlafsack/Rucksack belegten Matratzen, welche Betten belegt sind, jedoch nicht, von wem sie besetzt sind. Also ziemlich russisches Roulette in der ersten Nacht. In der zweiten und dritten Nacht kann man sein Bettenglück vielleicht durch eine gute Beobachtungsgabe (welcher Schnacher aus der ersten Nacht hat welche Schlafsackfarbe?) etwas optimieren. Handkehrum gehört man vielleicht zu den letzten, die in der Hütte ankommen: Dann nützt dir auch die gute Beobachtungsgabe nichts, weil du einfach keine Auswahl mehr hast ODER ein/e Schnarcher/in kommt als letztes an und versaut dir deine sorgfältig ausgearbeitete Bettenstrategie, indem er/sie das letzte Bett in deinem Schlag besetzt. Quintessenz: du kannst die Bettenwahl eh nur begrenzt beeinflussen, also versuche nicht von Hütte zu Hütte zu stressen, um dir deinen vermeintlich besten Platz ergattern zu können.
Geführte Wandergruppen
Auf dem Milford Track gibt es noch eine weitere Besonderheit: Nebst den Individual-Wanderer (wie wir), die in den DOC-Hütten übernachten, gibt es die Möglichkeit, sich einer geführten Wandergruppe anzuschliessen. Auf 50 Gäste kommen vier Guides, die dich auf der gesamten Strecke begleiten, dir auf dem Pass eine heisse Schokolade reichen und auf dem Weg vorauslaufen, um das Klopapier aufzufüllen (kein Scherz!). Übernachtet wird in separaten, noblen Lodges, wo du dich nach einem Dreigänge-Menü in deinem Doppelzimmer mit Ensuite-Badezimmer in ein bequemes, weiches Bett fallen kannst. Auf diesen geführten Wanderungen sind leider sehr viele Menschen unterwegs, die hier aus unserer Sicht völlig fehl am Platz sind. Teilweise fanden wir es grenzwertig, wer alles über die Pässe gehievt und geschoben wurden. Wenn auch die Great Walks technisch nicht schwierig sind (entsprechen etwa einem Bergweg «weiss-rot-weiss» in der Schweiz), so müssen dennoch relativ weite Strecken und der eine oder andere Höhenmeter überwunden werden. Eine gewisse Grundfitness sowie eine Grundbasis an Wandererfahrung sind demnach wünschenswert. Dabei meinen wir wirklich grundlegende Kenntnisse, z.B. wie man auf unebenem Terrain läuft oder wo man seine Füsse (in der richtigen Reihenfolge) platziert. Dinge, die man vielleicht nicht weiss oder kennt, wenn man bisher nur auf Asphalt gelaufen ist… So kann es dann auch zu gefährlichen Situationen kommen. Wir sind einmal für kurze Zeit hinter jemanden hergelaufen, wo wir wirklich kaum zusehen konnten. Die Person ist ständig abgerutscht, Steine runtergeschliddert und hatte gefühlt keine Stabilität in den Beinen. Wanderstöcke hätten hier sicherlich auch geholfen. Wir konnten die Person glücklicherweise relativ bald überholen und haben gehofft, dass sie es noch heil ans Ziel schafft. Das Positive: Das geknickte Ego von den Begegnungen mit den Trail-Runnern auf dem Kepler Track kann dank diesen Wandergruppen wieder etwas aufpoliert werden ;-)
Grande Finale
Nebst der Passüberquerung ist der Schluss des Milford Tracks am spektakulärsten: man kommt an den Milford Sound und wird mit dem Wassertaxi eine kurze Strecke bis zum Milford Sound Fährenterminal gefahren. Von dort bietet sich eine traumhafte Sicht in den Fjord. Wir haben den Milford Sound an einem unserer Pausentage besucht und wussten deshalb schon, was uns erwarten würde. Wer jedoch zum ersten Mal dort ankommt, wird sprachlos sein (und sollte unbedingt die letzte Wanderetappe und den Rücktransfer so arrangieren, dass noch Zeit für eine Bootsfahrt auf dem Milford Sound bleibt).
Wie es auf dem Milford Track ausgesehen hat, siehst du anhand der Bilder in dieser Galerie. Eindrücke zur Autofahrt auf dem Milford Highway und der Bootsfahrt auf dem Milford Sound findest du hier. Der Milford Track ist zwar mit Abstand der berühmteste Great Walk – in unseren Augen sind die anderen aber mindestens genauso schön. Unser Favorit auf der Südinsel ist der Routeburn Track, von welchem wir als nächstes berichten.