#28: Das Ningaloo Reef aus verschiedenen Perspektiven


Immer noch begeistert von den vielen schönen Eindrücken und Erlebnissen, die wir in der Shark Bay sammeln durften, machten wir uns beschwingt auf den langen Weg zu einem weiteren HAI-light. Voller Vorfreude darauf, was uns im 700 km entfernten Exmouth erwartet, lassen wir uns von der langen Fahrtetappe nicht entmutigen. Die Ortschaft Exmouth ist Ausgangspunkt für Ausflüge ins Ningaloo Reef und in den Cape Range National Park.

Das Ningaloo Reef (das weltweit grösste «Fringing Reef», ein Korallenriff, welches bis an die Küste herankommt) ist an und für sich schon spektakulär, ganz besonders reizvoll ist ein Besuch des Riffs allerdings von April bis Juli, da dann Walhaie das Riff aufsuchen. Hier bietet sich die wunderbare Möglichkeit, mit Walhaien schnorcheln zu gehen! Viele Tourenanbieter haben sogar eine Erfolgsgarantie: Man dürfte somit gratis nochmals auf eine Tour, falls man auf der ersten keinen Walhai zu Gesicht bekommen hat. Die Chancen müssen demnach wirklich sehr hoch sein! Die hohe Erfolgswahrscheinlichkeit liegt nicht nur an der Vielzahl an Walhaien, die jede Saison ins Ningaloo Reef ziehen (schätzungsweise 200 bis 400 Tiere), sondern auch daran, dass die Boote mit «Spotter Planes» (Erkundungsflugzeugen) im Austausch stehen, die das Riff aus der Luft nach Walhaien absuchen. Wenn ein Walhai gesichtet wird, lotsen die Pilote das Boot an die entsprechende Stelle. Diese Gelegenheit möchten wir uns nicht entgehen lassen, auch wenn die Vorstellung, gleichzeitig mit einem bis zu 12 m langen Hai im Wasser zu sein, durchaus ein kleinwenig furchteinflössend klingt…

Da wir in einem Binnenland aufgewachsen und zudem nicht sonderlich badeferien-erprobt sind, ist das Meer uns an und für sich schon ein wenig suspekt. Dunklem, endlos tief scheinendem Wasser, Wellengang und Meerestieren begegnet man im Frei- oder Hallenbad halt schon eher selten :-) Wir tasten uns deshalb langsam ans Walhai-Schnorchel-Abenteuer heran…

1. Schritt: Wir üben das Schnorcheln

Als erstes kaufen wir uns in einem Supermarkt eine Taucherbrille und einen Schnorchel und üben das Schnorcheln auf eigene Faust im seichten, warmen Wasser der Coral Bay. Wir sind zwar beide (vor Jahren) auch schon mal geschnorchelt, doch als routinierte Schnorchler würden wir uns definitiv nicht bezeichnen. Wir können uns noch an damals zurückerinnern, dass wir hauptsächlich damit beschäftigt waren, unser Hirn davon zu überzeugen, dass es beim Schnorcheln nicht nur völlig OK, sondern sogar wünschenswert ist, unter Wasser zu atmen. Wäre ja zu schade, wenn man den Walhai verpasst, weil man gerade mit panischer Schnappatmung an der Wasseroberfläche nach Luft ringt. Glücklicherweise stellten wir rasch fest, dass es uns dieses Mal viel leichter fällt und wir uns rasch auch auf die Umwelt und nicht nur auf uns selbst konzentrieren können. Dennoch beschliessen wir, zuerst einen geführten Schnorchelausflug zu unternehmen. Mit View Ningaloo haben wir ein super Los gezogen. Matt, Lucy und ihre Tochter haben uns ein tolles Schnorchelabenteuer beschert. Das spezielle an der Tour war, dass wir in einem Glasbodenboot rausfuhren, sodass wir auch während der An- und Rückfahrt die Unterwasserwelt bestaunen konnten. Sie besitzen ein besonderes Boot, welches (im Vergleich zu klassischen Glasbodenbooten keinen Glasboden hat, sondern) Glas an den Seitenwänden des Schiffsrumpfes hat. Man sitzt somit unter Wasser sitzt und schaut «geradeaus» durch die verglasten Seitenwände. Zu Beginn fühlt es sich zwar etwas seltsam an, wenn man im Bootinneren unter die Wasseroberfläche steigt, aber man gewöhnt sich schnell daran und so genossen wir die komfortable Aussicht auf die vorbeiziehende Unterwasserwelt.

Beim Schnorcheln haben wir uns ebenfalls recht bald wohl gefühlt, insbesondere Basil war ganz angefressen vom Schnorcheln und der vielseitigen Unterwasserwelt. Bei Michelle dauerte es noch ein wenig länger, bis sie das «Fische schauen» richtig geniessen. Nun fühlen wir uns gerüstet, um im offenen, welligen Meer zu schnorcheln. Auf den Walhai wollen wir zuerst aber noch einen Blick aus «sicherer Distanz» werfen. «Aus der Luft» scheint uns angemessen weit entfernt ;-)

2. Schritt: Den Riesen aus der Luft beäugen

Dieser Rundflug stand zuerst gar nicht auf unserem Programm, denn eigentlich wollten wir in der Shark Bay einen Rundflug über die Peron-Halbinsel machen. Unglücklicherweise ist der Eigentümer und gleichzeitig der Hauptpilot der einzigen Flightseeing-Firma in jener Region vor nur wenigen Wochen tödlich verunfallt (abgestürzt…). Aus nachvollziehbaren Gründen fanden vorerst keine Flüge mehr statt (gem. aktueller Google-Recherche haben sie mittlerweile wieder verschiedene Routen im Angebot). Da wir den Rundflug geschenkt bekommen haben, wollten wir uns zeitnah nach einer würdigen Alternative umschauen. Ein Rundflug über den zerklüfteten Cape Range National Park, über das in Blau- und Grüntönen schimmernde Ningaloo Reef und mit guten Chancen, aus der Luft Walhaie zu sichten, schien uns da mindestens ebenbürtig.

Michelles wichtigste Frage bei Flügen (bzw. Bootstouren) ist immer jene nach den Flugbedingungen (respektive Wellengang). Die Elemente Wasser und Luft sind nicht so ihrs und entsprechende Ausflüge kosten sie immer wieder ein wenig Überwindung. Basil hingegen fühlt sich auch in der Luft pudelwohl und würde am liebsten an jedem Ort einen Rundflug buchen. Der Pilot meinte, dass es durchaus ein wenig windig und somit mit der einen oder anderen Turbulenz zu rechnen sei. Da ihm zu Beginn seiner Pilotenausbildung auch immer schlecht geworden sei beim Fliegen, kenne er den ein oder anderen Trick gegen aufkommende Übelkeit. Nun gut, wir werden sehen. Michelles Optimismus steigt nicht gerade, als sie das winzige Flugzeug (eine vierplätzige Cessna) sieht. Das man darin jeden Windstoss merkt, scheint nicht verwunderlich. Wenig später sind wir auch schon in der Luft. Wir sind fasziniert von den vielen Canyons, die sich unter uns auftun und lauschen gespannt den Erklärungen des Piloten. Er gibt uns zahlreiche Tipps (an diesem Strandabschnitt könnt ihr gut schnorcheln, dort drüben ist mein Lieblingsort, um den Sonnenuntergang zu betrachten, etc.). Als wir ihm erzählen, dass wir morgen auf einen Bootsausflug gehen, um mit Walhaien zu schnorcheln, fragt er sofort, ob wir wissen, mit welchem Anbieter und welchem Schiff wir rausfahren würden. Er fliege nämlich nebst den Flightseeing-Touren auch noch als Walhai-Spotter für verschiedene Boote. Schnell finden wir heraus, dass er morgen nicht für «unser» Boot fliegen wird.

Er versichert sich auch immer wieder, ob es uns (noch) wohl sei und entschuldigt sich bei jedem kleinen Hüpfer, der die Maschine macht. Sobald wir über dem Meer sind, hält er Ausschau nach Walhaien, während wir von den Farben und Mustern des Riffs schon total begeistert sind. Nach nicht allzu langer Zeit entdeckt der Pilot einen Walhai und möchte ihn uns von allen Seiten, im besten Licht und von so nah wie möglich zeigen. Er schraubt das Flugzeug in engen Kreisen in tiefere Lagen, dreht unser Flugzeug mal nach links, dann nach rechts für die bestmöglichen Bilder. Das ist dann auch der Zeitpunkt, wo Michelle das Ganze (trotz Medikament gegen Reiseübelkeit und angestrengtes «auf den Horizont»-Starren) nicht mehr ganz so lässig findet. Wir kommen rasch überein, dass wir die Walhaie Walhaie sein lassen und uns stattdessen wieder auf eine geradlinige Flugroute entlang des Riffs begeben. So können wir den Flug ohne unerwünschte Zwischenfälle zu Ende bringen.

Nun haben wir also einen Walhai aus der Luft gesehen, ganz klein und unscheinbar – wir hätten ihn mit unserem ungeschulten Auge wohl glatt übersehen. Wir sind gespannt, wie die Walhaie morgen auf uns wirken!

Endlich ist es so weit: Wir schnorcheln mit dem grössten Fisch der Welt!

Obwohl es sich beim Walhai um den weltweit grössten Fisch handelt, ist nur sehr wenig über ihn bekannt. So konnte beispielsweise noch nie eine Paarung dokumentiert werden, ebenso wenig weiss man, wo Walhaie ihre Jungen zur Welt bringen. Irgendwann sind sie dann einfach da, bis sie etwa Ende Juli wieder für ein paar Monate verschwinden und nächstes Jahr wieder herkommen.

Ausgewachsene Walhaie können bis zu 12 Meter lang und über 12 Tonnen schwer werden. Ins Ningaloo Reef kommen jedoch hauptsächlich junge männliche Tiere von durchschnittlich 6 bis 8 m Länge. Obwohl es sich um eine Haiart handelt, muss man sich vor diesen sanften Riesen nicht fürchten. Sie fressen Kleinstlebewesen (Plankton), welche sie durch ihren riesigen Mund «inhalieren». Sogar wenn sie einen Menschen versehentlich «inhalieren» würden, könnte ein Mensch nicht verschluckt werden, da die Speiseröhre eines Walhais lediglich faustdick ist. Dank dieser hilfreichen Information fanden wir das Unterfangen, mit diesen gewaltigen Tieren zu schnorcheln nicht mehr ganz so beängstigend.

Kaum waren wir an Bord und über die Sicherheitshinweise instruiert worden, durften wir bereits das erste Mal ins Wasser zum «Probeschnorcheln». An einer einigermassen geschützten Stelle (es war ein windiger und demnach welliger Tag) auf der Innenseite des Riffs, gingen alle mal ins Wasser, um ihre Ausrüstung zu testen. Passen die Flossen? Ist die Maske dicht? Zudem wurden alle mit einem «Stinger suit» (Anzug, der einem gegen Quallenstiche schützt) ausgestattet. Nun waren wir also für den «Ernstfall» gewappnet. Schliesslich wurde uns noch erklärt, wie wir uns bei einer Walhai-Sichtung zu verhalten haben: Es gibt zwei Gruppen an je 10 Personen plus je einem Crewmitglied (Guide/in). Es ist immer nur eine Gruppe auf einmal im Wasser, wobei als erstes jeweils die Fotografin ins Wasser geht und via Handzeichen anzeigt, wo sich der Walhai befindet und in welche Richtung er sich bewegt. Alle aus der jeweiligen Gruppe müssen auf Kommando so schnell wie möglich ins Wasser gehen und eine gerade Linie (eng beieinander) bilden. Der/Die Guide/in gibt dann jeweils Kommandos, ob wir noch weiter nach vorne oder zurück schwimmen müssen. Sobald die Seitenflosse des Walhais auf unserer Höhe ist, schwimmen wir – in einem Abstand von mind. 3 Meter zum Walhai-Körper resp. 4 Meter zur Walhai-Schwanzflosse – neben dem Walhai her. Wir dürfen auch auf die andere Seite des Walhais wechseln und wenn möglich sollen wir doch noch die Schwimmpositionen rotieren, damit die Fotografin von jedem ein gutes Foto machen könne. Wir dachten schon bei den Erklärungen: Klingt ja in der Theorie ganz nett, aber ist in der Realität dann vielleicht doch ein biiiisschen kompliziert. Wir bezweifelten, dass die Walhai-Schnorchel-Synchronschwimm-Choreografie in der Praxis tatsächlich so umgesetzt wird und dann jede/r mal noch schön mit dem Walhai in die Kamera lächelt. Wir waren keine 10 Minuten zurück an Bord von unserem «Probeschnorcheln», da kam bereits die erste Walhaisichtung rein.

Immerhin der Start ins Vergnügen hat einwandfrei genau nach Handbuch geklappt: Auf Kommando «Group 1, go go go!» haben sich alle aus Gruppe 1 in ihrem sexy schwarzen Einteiler elegant ins Meer plumpsen lassen und dann versucht eine schöne gerade Linie zu bilden. Sobald jedoch der Walhai in Sichtnähe war, war es vorbei mit der Choreo. Jede/r hatte verständlicherweise nur noch Augen für das gewaltige Tier, dass auf einem zu und dann an einem vorbeischwamm. Es ist aber auch wirklich ein unglaubliches Erlebnis! Alles um einem herum verschwindet. Man achtet nur noch auf den Walhai und versucht irgendwie mit ihm mithalten, um ihn möglichst lange begleiten und beobachten zu können und nicht gleichzeitig eine Flosse eines Mitschwimmenden ins Gesicht zu bekommen. Reihenfolge? Egal. Position wechseln? Egal. Fürs Foto posieren? Egal. Definitiv nicht choreografie-konform, aber doch recht gesittet schwimmen also alle so rasch wie möglich neben dem Walhai her, bis der/die Guide/in laut «stooooop swimming» ruft. Dann kommen wir alle zusammen und warten darauf, bis das Boot uns wieder auflädt. Wie schwangere Robben hieven, wälzen und rollen wir uns wieder an Bord und warten auf den nächsten «Lauf». Viel Verschnaufzeit blieb uns nicht. Kaum hatten wir den Schnorchel aus dem Mund genommen und mal ein bisschen durchgeatmet, ging die andere Gruppe wieder ins Wasser. Kurz darauf folgten wir. Wir hatten das Glück, dass sich gleich zwei Walhaie zeigten und wir insgesamt 5x mit ihnen schnorcheln durften. Nach diesem «Schnorchel-Marathon» waren alle ein wenig aus der Puste und froh über eine Pause und ein leckeres Mittagsbuffet. Nach dem Essen konnten wir nochmals im Riffinnern schnorcheln – dieses Mal, ohne auf Kommando ins Wasser hechten zu müssen, ohne Choreografie, ohne Walhai, dafür mit ganz vielen Fischen in allen Grössen und Farben. Wir alle haben auch dieses entspannte Nachmittagsschnorcheln im warmen und klaren Wasser sehr genossen.

Was für ein einmaliges Erlebnis! Wenn wie aus dem Nichts des tiefblauen Ozeans plötzlich ein solcher Gigant auftaucht, seelenruhig und völlig unbeeindruckt an einem vorbeizieht. Mit ruhigen, langsamen Bewegungen und dennoch so schnell ist, dass wir ihm fast nicht nachkommen. Bis man irgendwann nur noch die Schwanzflosse sieht, die schliesslich wieder von den Weiten des Ozeans verschluckt wird. Der heutige Tag wird uns für immer in Erinnerung bleiben und bestimmt eines der Top-Highlights unserer Reise sein. Wer in der Walhai-Saison in Exmouth ist, dem können wir diesen unvergesslichen Ausflug nur ans Herz legen!

Für die Region um Exmouth haben wir zwei Galerien erstellt: eine zum Cape Range National Park und eine zum Ningaloo Reef.

Ach ja, wer sich – wie wir – fragt, wie es denn im Ningaloo Reef mit anderen Hai-Kollegen ausschaut: Natürlich gibt es hier nicht nur die zahnlosen, Krill fressenden Walhaie, sondern auch ganz viele andere Hai-Arten (von kleinen Riffhaien bis hin zu Hammer- und Tigerhaien). Die Crew meinte, dass die Tiere hier im Ningaloo Reef alle sehr friedlich seien. Zwischenfälle gäbe es praktisch nie. Zudem habe man dank den Spotter-Flugzeugen auch immer noch eine Absicherung, da sie die grösseren Haiarten aus der Luft sehen und Meldung machen würden. In so einem Fall würde man logischerweise nicht ins Wasser gehen. Friedlichkeit der Meeresbewohner hin oder her – wir sind beruhigt, dass diese nicht auf Probe gestellt wird.

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#29: Michelles Rendez-vous mit einer Schlange

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#27: Die berühmten Delfine von Monkey Mia